Erster Weltkrieg

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Erster Weltkrieg

        “Im August 1789 beschlossen die Menschen, Weltbürger zu sein. Im August 1914 beschlossen sie das Gegenteil”

So beschrieb Lessing in der 1923 erschienenen Novelle “Feind im Land” seinen Eindruck zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Entgegen der Euphorie der meisten seiner Mitbürger, wie beispielsweise der Publizist Maximilian Harden, der den Vorschlag Lessings ablehnte, seine Zeitung “Die Zukunft” für einen pazifistischen Aufruf der Intellektuellen gegen den Krieg zur Verfügung zu stellen, war Lessing von Anfang an Pazifist. In seinen Vorlesungen und Schriften machte er Publik gegen den Krieg und fiel mit dieser Einstellung zum ersten Mal politisch auf.

Den Kriegsausbruch erlebte Lessing während eines Kuraufenthalts im Harz. Um dem erwarteten Einberufungsbefehl an die Front zu entgehen, brach er den Urlaub vorzeitig ab und meldete sich freiwillig zum Dienst. Der Militärpaß aus dem Jahre 1896 zeichnete ihn nach der absolvierten ärztlichen Vorprüfung als Dr. med. aus, und so gelang es ihm, den Einsatz an der Front abzuwenden,von dem er es selbst für fraglich hielt, ob er ihn überlebt hätte. In der Feuilletonreihe aus dem Jahre 1929 schilderte Lessing in einer Mischung aus Satire und Verbitterung die Erlebnisse in den vier Lazaretten: “Die hübschen blonden Schwestern kamen in den koketten Rüschenhäubchen und verstauten die Helden in die Futterale. Da lagen sie freundlich und mordeten im Traum. Ich hatte sie aufrichtig lieb; denn ich freute mich, daß ich nicht auf ihr Kommando den Heldentod zu sterben brauchte fürs Vaterland. (...) Jede Exzellenz ritt ihr Steckenpferd. Aber die Organisation klappte. Um 8 Uhr brachte Marthchen den Kaffee. Um 9 Uhr machte Schwester Anna die Darmspülungen. Danach mußte man sich richten. Man konnte im übrigen nach Herzenslust heroisch sein”.

Neben den traurig-humoristisch verpackten Erlebnissen schrieb der Pazifist Lessing aber auch ernste Artikel gegen den Krieg, wie die Kriegsnovellen “Kamerad Levi”, in der er den späteren Tod des Protagonisten Siegfried Levi mit den Worten kommentierte:

    “Es ist merkwürdig, daß ein Mensch, der aus lauter Berechnung zusammengesetzt war, einen so sinnlosen Tod gestorben ist”.

Es war eines von Lessings Hauptanliegen, den einzelnen Menschen aus der anonymen Masse herauszulösen und ihm so ein persönlicheres Gesicht zu geben. Dieses Phänomen findet sich neben den Kriegsgeschichten auch in späteren Gesellschaftsstudien (siehe auch "Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfes") wieder.

Die Gesetzte des Krieges waren für Lessing schon lange zu einer Farce verkommen. Seiner Überzeugung nach war die Geschichtsschreibung eine vorgetäuschte und verfälschte Interpretation der Realität. Sie diene nur, um Mißstände nachträglich zu rechtfertigen oder die persönlichen Verhältnisse besser darzustellen, als sie waren.

     “Hinter Geschichte [steht] niemals das nüchterne Sicherinnern und Festhalten an Vergangenheit, sondern eine aller wissenschaftlichen Formulierungen unzugänglichen, geheimnisreiche, produktive Leistung der Phantasie, worin Erhaltungs- und Ausheilungswille, Wunscherfüllung, Sehnsucht oder Hoffnung sich bewähren”.

Neben seiner Beschäftigung in den Lazaretten suchte und fand Lessing auch Arbeit als Hilfslehrer in einigen Hannoverschen Schulen. Hier führte er die in Haubinda begonnene Bemühung fort, den Schülern einen besseren Unterricht zu bieten als den, mit dem er sich als Kind konfrontiert sah. Langfristig galt sein Interesse allerdings der Erwachsenenbildung, dem Unterricht von Arbeitern, Frauen, sozial Schwachen, und Ungelernten, eben jenen, denen eine höhere Bildung bislang versagt geblieben war.

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