Ehejahre

Theodor Lessing war zweimal verheiratet. Seine erste Frau, die Hohenzollerin Maria Stach von Goltzheim, lernte er Ende des 19. Jahrhunderts als kritische Leserin seiner Texte kennen. Aus der 1900 geschlossenen Ehe gingen zwei Töchter, Judith und Miriam, hervor. Während seiner Zeit im thüringischen Landerziehungsheim “Haubinda” verliebte sich Maria Stach von Goltzheim in einen Schüler Lessings. 1907 wurde die Ehe geschieden.

1912 heiratete Lessing die ebenfalls geschiedene Adele Minna Abbenthern. Mit ihr gründete er 1920 die Volkshochschule in Linden. 1912 wurde die gemeinsame Tochter Ruth (1913) geboren.


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Ehe mit Maria

Die einzige, die entstandene Lücke der gescheiterten Jugendfreundschaft mit Ludwig Klages auszufüllen vermögen schien, war eine junge Kritikerin seiner frühen Schriften. Maria Stach von Goltzheim, Hohenzollerin und eine Enkeltochter Kaiser Wilhelm I, entwickelte sich zur Bewunderin von Lessings philosophischen Überlegungen, forderte ihn allerdings insofern heraus, als daß sie ihm schrieb, er könne es "doch gewiß noch besser, mit weniger Eile und statt dessen mit mehr Sorgfalt". Aus dem Briefwechsel entwickelte sich eine tiefe Liebe. Am 30. Januar 1900 gaben Maria und Theodor Lessing ihre Vermählung bekannt.

Fortan lebte das Ehepaar am Rande des Existenzminimums (das monatliche Budget betrug 90 Mark) in München, denn die erwartete Erbschaft nach dem Tode des Düsseldorfer Großvaters blieb aus, und Maria wurde nach der unstandesgemäßen Heirat mit einem mittellosen Juden aus der Familie verstoßen und enterbt. Doch das frisch verheiratete Ehepaar Lessing trotzte allen materiellen Entbehrungen. Die Kaiserenkelin bestellte sich für 10 Pfennige Pferdebohnen im Vegetarischen Restaurant, damit für ihren Mann mehr Geld übrig blieb und er sich Bücher kaufen konnte. Als 1901 (Judith) und 1902 (Miriam) die beiden Töchter geboren wurden, mußte Lessing die brotlose freie Schriftstellerei aufgeben und nahm eine Stelle im Landerziehungsheim Haubinda an. Mit dem Gründer, Hermann Lietz, überwarf er sich zwei Jahre später, 1904, wegen dessen Absicht, den Schulstatus für jüdische Kinder zu ändern und die Aufnahme prozentual zu beschränken. Lessing sah in den antisemitischen Maßnahmen das Gleichheitsprinzip verletzt und organisierte eine kleine Demonstration vor Lietz’ Arbeitszimmer. Lietz war aber nicht zum Nachgeben bereit, und als sich zu allem Überdruß auch noch Maria in einen Schüler Lessings verliebte, verließ Lessing Haubinda und nahm eine Stelle in Dresden an.

Die Ehe zwischen Theodor und Maria, die erst 1907 offiziell geschieden wurde, war beendet, und so sah sich Theodor ein zweites Mal in seinem Leben einem emotionalen Scherbenhaufen gegenübergestellt. Die Kinder blieben vorerst bei Maria in München, erst 1910 holte Lessing die Töchter nach Hannover. Der Tod seiner Lieblingstochter Miriam im im Frühjahr 1912 traf Lessings schwer, zumal die erhoffte Aussöhnung mit Maria am Grab der gemeinsamen Tochter ausblieb. Seine älteste Tochter Judith erinnerte sich: “Der junge, hochgesinnte Theodor Lessing und seine Kameradin hatten ihr Lebensschiff unerfahren überlastet. Sie unterlagen der Doppellast der geistigen Arbeit und Fortbildung und der Unterhaltung einer Familie. Dem beidseits schuldig-unschuldigen erlittenen Schiffbruch der Ehe haben sie sich lebenslänglich zum Vorwurf gemacht”. Lessing kam in beiden Fällen, in der gescheiterten Freundschaft zu Ludwig Klages wie der Ehe mit Maria, bis zu seinem Tode nicht über die Enttäuschung hinweg. Er konnte nicht verstehen, daß sowohl Klages wie auch Maria sich über die Entwicklung ausschwiegen. Mit fiktiven Dialoge versuchte er sich seinen Schmerz von der Seele zu schreiben (“Der Dialog” ist als Privatdruck erschienen). Ekkehard Hieronimus sah die Ursache für das Scheitern der Beziehungen im Unverständnis von Lessings Wesen bzw. der nicht miteinander vereinbaren Wesenskreise verwurzelt.: “Maria wie Klages selbstbewußt, zugreifend, Theodor Lessing, weich, zerquält, alles verstehen wollend und darum immer wieder zum Verzeihen und Nachgeben bereit, bis zur Aufgabe der Selbstachtung gehend, nur um den Halt zu wahren, den ihm die Liebe seiner Frau und die Freundschaft des Mitschülers bedeutete”.

Nach der Trennung von Maria flüchtete Lessing in die Arbeit. Er begann Vorlesungen im Dresdener Hauptbahnhof zu halten (die ersten Gehversuche für sein späteres Engagement in der Volkshochschulbewegung), trat den Sozialdemokraten bei, kämpfte gegen Alkohol und Prostitution und setzte sich für die Rechte der Frauen ein. Nachdem der Versuch, in Dresden oder Göttingen zu habilitieren, scheiterte, kehrte Lessing 1907 auf eine Empfehlung des Göttinger Professors Husserl nach Hannover zurück, wo er 1908 seinen Vorlesungsbetrieb als Privatdozent für Philosophie aufnahm. Hier gründet Lessing den vielerorts belächelten “Antilärmverein” und gab in Alleinarbeit die Mitgliederzeitung “Der Antirüpel” heraus. Das veränderte Bild seiner Heimatstadt einerseits vor Augen und das medizinische Wissen um die Folgen von physischen Dauerbelastungen andererseits im Hinterkopf ging der Verein, der landesweit rund 1000 Mitglieder vereinigte, gegen alltägliche Lärmbelästigungen durch Pferdegetrappel, Kopfsteinpflaster, schreiende Zeitungsjungen, Räderrasseln, Drehorgeln und grölende Menschenmassen sowie gegen die stille Umweltbelästigung der Fabrikschlote und Zersiedelung vor.

An der Technischen Universität Hannover konnte Lessing nicht richtig Fuß fassen, denn der philosophische Zweig wurde von den Studenten und Professoren der traditionellen Wissenschaften Maschinenbau, Mathematik, Chemie, Architektur allenfalls geduldet aber nicht als gleichrangig anerkannt. In den achzehn Jahren, die Lessing an der Universität lehrte, wurde ihm nicht eine Beförderung oder Gehaltserhöhung gewährt.

Ehe mit Ada

Das noch immer zerrüttete Privatleben erfuhr erst durch die Beziehung zu der ebenfalls in Scheidung lebenden Adele (Ada) Minna Abbenthern eine Beruhigung. Sie war wie Lessing sozialkritisch und pädagogisch engagiert und bildete einen harmonisches Gegenstück zu Lessing. Am 27. Juli 1912 heirateten Ada und Theodor Lessing, und im darauffolgenden Februar, genau an Lessings Geburtstag, wurde die gemeinsame Tochter Ruth (1913-1992) geboren, der Theodor fortan besonders viel Zeit widmete.

Der glückliche Neuanfang währte jedoch auch jetzt nicht lange, denn schon eineinhalb Jahre später fielen in Sarajevo die tödlichen Schüsse auf das Kronprinzenpaar von Österreich, und der Erste Weltkrieg begann. 

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